jener Ära geworden ist, deren Schicksal die Herrschaft von Kaiser Alexios I. weitgehend bestimmt hat. Anna Komnene schrieb die „Alexiade“ dreißig Jahre nach dem Tod ihres Vaters und dem erfolglosen Versuch eines Palastputsches, der Anna Komnene zu einem ehrenvollen Exil im Kloster des Allerheiligsten Theotokos der Gnade „Kecharitomene“ führte. Dort schrieb die Prinzessin die „Alexiade“ während der turbulenten Regierungszeit ihres Neffen, des Kaisers Manuel I. Komnenos (1143–1180), der auf Kosten unglaublicher Anstrengungen versucht hatte, das Byzantinische Reich zu einer militärischen und politischen Hegemonie zu führen, wie es das Byzantinische Reich in der Ära von Kaiser Justinian I. dem Großen (527–565) und Kaiser Basilius II. dem Bulgarentöter (976-1025) war. Nach A. Yu. Mitrofanov, war die „Alexiade“, geschrieben von Anna Komnene um 1146–1148, eine Art politisches Testament byzantinischer Aristokratie der Komnenen für ihren Neffen in der kaiserlichen Familie und gleichzeitig ein Oppositionsmanifest, das sich gegen dessen pro-lateinische Politik gerichtet hatte. Nach A. Yu. Mitrofanov war es die Kombination einer Biographie, einer historischen Chronik und eines aktuellen politischen Manifests, welche Anna Komnenas „Alexiade“ zu dem Buch machte, das Karl Krumbacher zu Recht als „das Beste historische Werk, das uns das Mittelalter hinterlassen hat“ bezeichnete» [17]. Wie A. Yu. Mitrofanov erwähnt, finden einige der von Anna Komnene beschriebenen Hofintrigen, insbesondere die romantische Beziehung der Kaiserin Maria von Alania und Alexios Komnenos, Parallelen im Werk des seldschukischen Dichters Fakhroddin Gorgani (11. Jahrhundert), welcher auf Persisch schrieb und sich laut V. F. Minorsky auf den verloren gegangen Parthischen Ritterroman stützte [18].
Wie A. Yu. Mitrofanov zeigt, hat Anna Komnene, als Zeitgenossin, nicht nur eine Galerie von Porträts prominenter Vertreter der byzantinischen Kaiserdynastien geschaffen, wie das Porträt ihres Vaters, des Kaisers Alexios Komnenos, desgleichen ihrer Mutter, der Kaiserin Irene Dukena, ihrer Großmutter, Anna Dalassena, sowie der Mutter ihres Verlobten, das heißt, ihrer Schwiegermutter, der Kaiserin Maria von Alania, sondern als Historikerin hat sie auch eine Reihe von ethnographischen und politischen Problemen skizziert, mit denen das Byzantinische Reich am Ende des 11. Jahrhunderts konfrontiert wurde. Eines dieser Probleme war das Aufkeimen der Macht der Großen Seldschuken, die unter dem „Bunchuk“, der Standarte der Sultane Tughrul-beg (1038–1063), Alp-Arslan (1063–1072) und Malik Schah (1072–1092) Khorasan, Iran und weite Gebiete vom Mittelmeer bis nach Kaschgaria, vom Kaukasus bis zum Jemen eroberten. Obwohl das Ergebnis der seldschukischen Eroberungen das Erscheinen der Seldschuken im byzantinischen Kleinasien sowie die rasche Eroberung der Halbinsel zur Folge hatte, drängten die Fehden zwischen dem großen Sultan Malik Schah und den anatolischen Seldschuken den Kaiser Alexios Komnenos in ein Bündnis mit Malik Schah gegen das Sultanat Rumia. Darüber hinaus hatte Alexios Komnenos bereits während des Krieges gegen Roussel de Bailleul die Hilfe der Seldschuken in Anspruch genommen, als Roussel de Bailleul, ein rebellischer normannischer Ritter im Jahr 1074 versucht hatte, auf den Gebieten des alten byzantinischen Themas der Armeniaken sein eigenes Fürstentum zu errichten.
A. Yu. Mitrofanov wirft die Frage nach einer möglichen mongolischen Herkunft der Großen seldschukischen Dynastie im Lichte des militärischen und politischen Einflusses des Khitan Liao-Reiches in Turkestan auf neue Weise auf und führt für diese Annahme interessante Argumente an. Eines dieser Argumente ist die These des Autors von einem, für die sowjetische Orientalistik charakteristischen, bewussten Ignorieren der Rolle des mongolischen Faktors in der Geschichte Zentralasiens, ist. Diese These des Autors basiert insbesondere auf der Forschung des exzellenten Archäologen, Ethnographen und Künstlers M. V. Gorelik. Ein weiteres Argument von A. Yu. Mitrofanov ist die originelle Annahme eines literarischen Einflusses des „Shahnameh“ von Abulkasim Firdausi auf die Geschichte Seldschuks aus dem „Malik-nameh“. Dieses ist ein seldschukisches Epos des XI. – XII. Jahrhunderts, ein Epos, das dank der Arbeit von Mirkhond und einigen anderen spätöstlichen Historikern in Fragmenten erhalten geblieben ist. A. Yu. Mitrofanov bezieht sich für diese bemerkenswerte Entdeckung des Weiteren auch auf die Werke von G. V. Wernadskij, der die Ausbreitung des Christentums unter einigen mongolischen Stämmen im XI. – XII. Jahrhundert feststellt. Der Autor A. Yu. Mitrofanov vergleicht dieses Phänomen der Ausbreitung des Christentums unter einigen mongolischen Stämmen mit der Hypothese des christlichen Bekenntnisses einiger Söhne von Seldschuk, insbesondere seines Sohnes Mikail.
Des Weiteren untersucht A. Yu. Mitrofanov auch diejenigen Fragmente der Arbeit von Anna Komnene im Detail, welche dem Phänomen der sogenannten byzantinischen Usurpatoren Kaiser gewidmet waren. Nach A. Yu. Mitrofanov war eines der ersten Beispiele eines solchen Usurpators das Erscheinen des Usurpators am Ende der Regierungszeit von Kaiser Leo III. dem Isaurier (717–741). Jener Pseudo-Tiberius Pergamenus hatte sich zum überlebenden Sohn von Kaiser Justinian II. Rhinotmetos (685–695, 705–711) erklärt. Dieser Sohn Justinians II. hieß Tiberius und ist 711 im Kindesalter von elf Jahren vor den Augen seiner Großmutter, Kaiserin Anastasia, ermordet worden. Gestützt auf die Forschungen von Paul Speck und von anderen von A. Yu. Mitrofanov zitierten Forschern [19] stell. Mitrofanov die folgende Hypothese auf, dass die hypothetische Geschichte „Das Leben Leo“ (*Vita Leonis) über den Mord an dem kleinen Tiberius, jene Geschichte, welche in der „Chronographie“ von Theophanes Confessor reproduziert worden war, möglicherweise während der Rebellion des Pseudo-Tiberius Pergamenos interpoliert worden war, um diesen Pseudo-Tiberius Pergamenos zu entlarven.
Nach Quellen des „Dossiers“ von Georgios Synkellos – eine daraus ist, zum Beispiel, die hypothetische „Geschichte von Leo und Konstantin“ (*HL), welcher Theophanes Confessor in seiner Erzählung der byzantinischen Geschichte nach dem Jahr 718 folgt – erhielt Pseudo-Tiberius Pergamenus die Unterstützung des Umayyaden-Kalifen Hischam Ibn Abdal-Malik (723-743) [20]. Eine solche Abhängigkeit von äußeren Feinden des Byzantinischen Reiches war charakteristisch für spätere byzantinische sogenannte Usurpatoren. Deren Zeitgenossin war Anna Komnene. Deshalb untersucht A. Y. Mitrofanov konsequent im Detail die Fragmente von Anna Komnene über die Usurpatoren Pseudo-Michael und Pseudo-Diogenes I. Des Weiteren erwähnt der Autor aus den russischen Chroniken die Rebellion der Usurpatoren, des Pseudo-Diogenes II. oder „Devgenevič“, sowie die Rebellion von dessen Sohn, des Pseudo-Prinzen Vasilko Leonovič.
Pseudo-Michael war ein Schützling der Normannen und von Robertus Guiscardus persönlich; Pseudo-Diogenes I. stützte sich auf die Hilfe des Cumanischen Khan Tugorkan, während Devgenevič und der Pseudo-Prinz Vasilko die Unterstützung und offizielle Anerkennung des Großfürsten von Kiew Wladimir Monomach (1113–1125) genossen.
Wladimir Monomach liierte sich sogar mit dem Usurpator Pseudo-Diogenes II. alias Devgenevič, indem er seine Tochter Maritsa mit Devgenevič verheiratete. Deren Sohn war der Usurpator, der Pseudo-Prinz Vasilko. Aufgrund dieser von A. Yu. Mitrofanov nachgewiesenen unleugbaren historischen Fakten, erweist sich das Phänomen der byzantinischen sogenannten Usurpatoren, jenes Phänomen, das von Anna Komnene und